The New Social
FotoHamburgTips 1. Mai 2015 Mario Lüder
Zum Thema „The New Social“ zeigt das Haus der Photographie in Hamburg vom 1. April bis 31. Mai politische, soziale und kulturelle Veränderungen in Europa, wie sie junge europäischen Fotografen sehen. In zwölf fotografischen Essays thematisieren sie Wege der politischen Teilhabe, Geschlechterkonventionen, Lebensstile, Bedeutung der Familie, Stadtentwicklung, wie auch Migration, Arbeitsbedingungen, Würde, Kommunikation und Identität.
Teilgenommen haben: Stephanie Steinkopf und Paula Winkler aus Deutschland, Kirill Golovchenko aus der Ukraine, Patricia Almeida und Andre Cepeda aus Portugal, Massimo Berruti und Simona Ghizzoni aus Italien, Eric Giraudet de Boudemange aus Frankreich, Jan Brykczynski aus Polen, Linda Bournane Engelberth und Espen Rasmussen aus Norwegen sowie Arja Hyytiäinen aus Finnland. Vier europäische Kuratoren, das sind Ingo Taubhorn, Rune Eraker, Sergio Mah und Enrico Stefanelli, haben die Fotografen eingeladen und sie bei der Erarbeitung ihrer Themen begleitet.
Patricia Almeida entfernte für ihr Projekt My Life Is Going To Change Bilder aus Zeitungen durch übermalen, um ihren Einfluss zu eliminieren. Die Zeitungsseiten befestigte sie dann großflächig an einer Wand des Ausstellungsraumes. Sie sagte: „Das ist keine Zensur, sondern ein Versuch zu entspannen in einer Welt voller Bilder.“ Für eine zweite Publikation wurden die Gesten prominenter Persönlichkeiten nachgeahmt und fotografiert, um das Spiel mit der visuellen Kommunikation zu entlarven.
Andre Cepeda stellt die Historie und das soziale Leben der portugiesischen Stadt Porto in den Mittelpunkt seiner Arbeit Fade. Durch seine enge Verbindung mit der Stadt, gelingen ihm poetische und dokumentarische Einblicke, abseits touristischer Pfade. Er zeigt die Situation einer Stadt, die nach der industriellen Revolution sehr wichtig war und heute durch die ökonomische Krise betroffen ist.
Eric Giraudet de Boudemange reflektiert mit seinem Projekt Thorn Birds wie das Leben in Europa immer schneller wird. Er sagt: Sobald etwas passiert, ist auch schon alles in sozialen Medien. Als Reaktion darauf findet er es interessant sich Zeit zu nehmen und den Rhythmus der Natur zu beobachten.
Die Arbeit von Simona Ghizzone spricht das Gefühl von Einsamkeit, Entwurzelung und Entfremdung durch Migration an, von dem vor allem die jüngere Generation, wegen wirtschaftlicher Krisen, betroffen ist.
Die Proteste in der Türkei im Jahr 2013 sind Gegenstand der Serie „Capulcu“ von Massimo Berruti. Er zeigt die Solidarität der Bürger beim Kampf um notwendige politische Beteiligung der Bevölkerung und um soziale Gerechtigkeit.
Jan Brykczynski glaubt, dass sich die Wünsche, Bedürfnisse und Bestrebungen der Menschen sich kaum geändert haben. Trotzdem verändern sich Einrichtung, Kleider und Räume der Europäer immer schneller. Seine Serie Collection erzählt hingegen vom Bewahren. Welche Erinnerungen assoziieren wir mit gesammelten Gegenständen? Welche Geschichten projizieren sie? Wie deutlich zeigen sie unsere Identität?
Lettland gehört zu den Ländern die von der Finanzkrise 2008 stark getroffen wurden. Dennoch ist dieses Land in den Medien wenig vertreten. Aus diesem Grund zeigt Linda Bournane Engelberth mit Things come apart die Situation von jungen Erwachsenen, die nicht die Möglichkeit hatten der wirtschaftlichen Krise des Landes durch Emigration zu entfliehen oder zurückkehren mussten.
Vom Wandel der Familie erzählt Arja Hyytiäinen in vier Familiengeschichten, darunter ihre eigene. Was zeichnet eine Familie aus? Wie leben heute junge Mütter und Väter? Welche Traditionen haben sich geändert? Dies sind Fragen, denen Hyytiäinen nachging.
Espen Rassmussen erzählt von Stadtbewohnern, die zurückgezogen und außerhalb der Gesellschaft leben. Als Rassmussen aufwuchs, kannte und akzeptierte sie jeder in seiner Stadt. Sie gaben ihnen sogar Spitznamen. Heute verschwinden sie mehr und mehr. Mit seiner Serie Oddballs untersucht er was Normalität ist und welchen Platz Menschen in unserer Gesellschaft haben, die ein Leben abseits des Trends leben wollen.
Stephanie Steinkopf fragte sich: „Wenn wir nach Hause gehen und unser Bett haben, was machen dann die Obdachlosen?“ Obdachlose werden meistens von oben herab angesehen und auch so fotografiert. Jeder kennt die Klischees von trinkenden und pöbelnden Menschen. Diesen Klischees widerspricht Stephanie Steinkopf mit ihrer Serie Vogelfrei. Sie entschloss sich mit den Obdachlosen zu leben und bei ihnen zu schlafen. So gewann sie Vertrauen und es gelang ihr Bilder aufzunehmen, die es vermögen, die Distanz zu den Obdachlosen aufzulösen. Sie führen dem Betrachter, auf empathische und respektvolle Weise, die Welt von auf der Straße lebenden Menschen vor Augen.
Den Mann zum Objekt der Begierde machen, um veraltete Geschlechtskonventionen zu dekonstruieren, dass möchte Paula Winkler mit ihrer Serie Centerfolds erreichen. Sie sagt: „Ich denke das die Art und Weise wie wir nackte Körper anschauen einen großen Einfluss darauf hat, was wir für Vorstellungen von Sexualität und Geschlecht haben. Die Abwendung von den traditionellen Blickkonventionen finde ich einen wesentlichen Bestandteil eines neuen Gefüges der Gesellschaft, eines New Social.“
Sehnsucht nach Normalität ohne Gedanken an Krieg und Sehnsucht nach Schutz thematisiert Kirill Golovchenko mit seiner Arbeit Otpusk – Out of the blue.
Begleitet wird die Ausstellung durch ein vielseitiges Rahmenprogramm.
Am 5. Mai findet um 19 Uhr ein Künstlergespräch mit den Fotografen Stephanie Steinkopf, Paula Winkler, Kirill Golovchenko und Kurator Ingo Taubhorn statt.
Am 7. Mai um 18 Uhr stellen Hamburger Autoren ihre von den Fotos inspirierten Texte vor.
Eine Kuratorenführung mit Ingo Taubhorn findet am 13. Mai um 18 Uhr statt.
Eine öffentliche Führung in englischer Sprache wird am 23. Mai um 14.00 geboten.
Und am 28. Mai um 18:00 gibt Kirill Golovchenko, Robin Hinsch und Ingo Taubhorn in einem Werkstattgespräche einen Blick auf die Ukraine.
Jeden Samstag und Sonntag bieten die Deichtorhallen um 15 Uhr eine Führung durch die Ausstellung.